31 Dez Interview-Reihe Teil 5: Stephan Heibel über 2022
www.schlag-die-boerse.com hat in Kooperation mit www.worldinchange.info eine Interview-Reihe mit den bekanntesten Börsen-Experten durchgeführt. Alle Profis haben dieselben Fragen erhalten und gibt uns ein tolles Bild zur Erwartung 2022.
Über den Interviewpartner:
Börsenprofi Stephan Heibel ist seit über 20 Jahren erfolgreich als Börsenbrief Autor aktiv. Er gibt mit dem Heibel-Ticker einen wöchentlichen Einblick in die aktuelle Finanzwelt. Privatanleger profitieren von seinen verständlichen Analysen, fundierten Kenntnissen und seiner unabhängigen Meinung. Stephan Heibel analysiert international, bietet diversifizierte Empfehlungen und arbeitet stets aktuell und druckfrisch.
1. Die Inflation wird laut Bundesbank rund 6% erreichen. Ist es nach Ihrer Meinung nur temporär, wie es die Europäische Zentralbank (EZB) bezeichnet, oder kommt da noch eine stärkere Welle auf Europa zu?
Stephan Heibel:
„Wir hatten nun viele Jahre eine Inflationsrate von deutlich unter der Zielmarke „nahe bei aber nicht über 2%“. Aus dem aktuellen Ansteigen der Inflation würde eine klare Handlungsaufforderung für die EZB abgeleitet werden, wenn diese nicht vor kurzem das Ziel in „symmetrisch um 2%“ geändert hätte. Daraus folgt nun, dass eine Inflation von über 2% für eine gewisse Zeit toleriert werden kann. Als einzige große Notenbank der Welt hält die EZB daher noch immer an der lockeren Geldpolitik fest und schließt Zinserhöhungen auf absehbare Zeit aus.
Es ist also davon auszugehen, dass die Inflation in den kommenden Jahren überwiegend über 2% liegen wird: Bei 3%, vielleicht bei 4%, zeitweilig sogar auch mal über 5%, wie aktuell. Das ist zwar schmerzhaft für den Michel, dessen Spargroschen schleichend entwertet wird. Eine Katastrophe mit Hyperinflation, wie im Jahr 1923, kann man daraus jedoch nicht ableiten. Ich stelle mich einfach auf höhere Inflationsraten ein.“
2. In den USA sieht es keineswegs besser aus und auch dort gibt es mit der Niedrigzinspolitik durch die Federal Reserve (FED) starke Parallelen zur EBZ. Müssen die Zentralbanken im Jahr 2022 reagieren und ggf. die Zinsen anheben, um die Märkte nicht völlig aus dem Gleichgewicht fallen zu lassen?
Stephan Heibel:
„In den USA ist die Zinswende bereits eingeleitet: Die Liquiditätsflutung wird nun schleunigst beendet, eine erste Zinsanhebung wird für das Frühjahr, spätestens im Sommer 2022 erwartet. Wie so häufig sind uns die USA einen Schritt voraus. Wir dürfen mit Neugier beobachten, wie sich diese Schritte auf die hohe Schuldenlast der USA auswirken.“
3. Die Vermögensblase ist offensichtlich und die Realwirtschaft leidet durch die Corona-Maßnahmen, Lieferketten-Probleme, explodierende Rohstoffpreise, Klimawandel und Energiekosten. Was geschieht 2022, wenn die aufzeigten Krisen alle zusammen kommen?
Stephan Heibel:
„An die Corona-Maßnahmen haben wir uns gewöhnt, die meisten Wirtschaftszweige haben Maßnahmen eingeführt, mit denen die Auswirkungen minimiert werden können. Einzelne Branchen werden leiden, vielleicht sogar verschwinden, aber das wird die Gesamtwirtschaft kaum belasten – so bitter das für die Betroffenen auch sein mag.
Lieferkettenprobleme werden mMn abnehmen, auch hier hat man Alternativen geschaffen. Die Rohstoffpreise gehen bereits wieder deutlich zurück. Hohe Energiekosten sind ein deutsches Problem, nicht europäisch und schon gar nicht weltweit. Wir können jederzeit im Ausland günstige Energie einkaufen, wenn die Wirtschaft zu stark belastet wird.
Sollten nun dennoch alle belastenden Faktoren zusammen kommen, der perfekte Sturm also, dann brechen die Aktienmärkte natürlich ein. Doch ich halte die Gefahr eines solchen Szenarios für überschaubar.“
4. Geopolitisch geht es weltweit heiß her. Europa vs. Russland, USD vs. China, China vs. Taiwan und zudem nimmt es den Anschein, als würden aktuell eine Reihe von Politikern bzw. Regierungen in Europa und eventuell auch in Amerika ausgetauscht. Kann es zu einem globalen Konflikt kommen?
Stephan Heibel:
„Ja, geopolitische Spannungen ist für mich das Thema, das mir für 2022 am meisten Sorgen bereitet. Die Überzeugung für das eigene System steigt an, Positionen verhärten sich und die Toleranz schwindet. Insbesondere die Bevölkerung fühlt sich informiert und fordert „harte Kante“ von den Politikern, was sehr gefährlich ist. „Jedes Volk wählt sich die Politiker, die es verdient“ sollten wir nicht vergessen, wenn wir die Politik kritisieren.
In meinem Fahrplan für 2022 sind geopolitische Spannungen die Risiko-Komponente, die kaum zu beherrschen ist.“
5. Welche Ideen geben Sie unseren Lesern, wie man sich für 2022 vorbereiten kann?
Stephan Heibel:
„Meiner Überzeugung nach können Kurseinbrüche, die durch bekannte Probleme wie Inflation, Corona-Beschränkungen etc. verursacht werden, als Kaufgelegenheiten für zyklische Aktien betrachtet werden. Ich würde jedoch ab jetzt, wo das Zinsniveau kontinuierlich steigen dürfte, Aktien mit hohem Bewertungsniveau aus Basis von potentiellen Gewinnen in der fernen Zukunft meiden. Unternehmen mit gutem Cashflow, Dividende und profitablem Wachstum mit Preissetzungsmacht werden im Jahr 2022 das Rennen machen.“
Vielen Dank für Ihre Zeit und die interessante Analyse!